Sich wohlfühlen trotz Haarausfall Interview mit einer Zweithaarspezialistin

Insbesondere für Frauen ist Haarausfall während einer Chemotherapie oft eine psychische Belastung. Viele entscheiden sich dazu, eine Perücke zu tragen. Zweithaarspezialistin Manuela Markpfleger berät in ihrem Studio in Altenriet regelmäßig Krebspatientinnen. Im Interview klärt sie über die wichtigsten Fragen rund um Perückenkauf und Pflege auf.

Frau Markpfleger, in Ihrem Zweithaarstudio lernen Sie viele Chemo-Patientinnen kennen. Wie erleben diese Frauen den Verlust ihrer Haare?

Viele Frauen empfinden die sichtbare Veränderung als Stigmatisierung und Identitätsverlust. Sie haben das Gefühl, dass ihnen mit den Haaren auch ihre Weiblichkeit abhandenkommt und fühlen sich weniger attraktiv. Darunter leidet natürlich das Selbstwertbewusstsein. Vielen Frauen hilft die Perücke, wieder neuen Mut und Kraft zu schöpfen.

Worauf sollten Frauen, die sich für eine Perücke entscheiden, beim Kauf achten?  

Die Kundin sollte sich in der Perücke wiedererkennen und das Zweithaar sollte authentisch wirken. Was das angeht, hat sich in den letzten Jahren viel getan: Heute wirkt bei einer qualitativ hochwertigen Perücke die Farbe echt und der Haarfall natürlich. Sogenannte Lace-Front-Perücken sind außerdem im Schläfen- und Stirnbereich so fein geknüpft, dass man den Übergang zwischen Kopf und Perücke nicht erkennt.

Echthaar- oder Kunsthaarperücke: Was empfehlen Sie Ihren Kundinnen?

Beides hat Vor- und Nachteile. Kunsthaarperücken sind besonders pflegeleicht und müssen nicht geföhnt werden. Einer Chemo-Patientin, die sich vielleicht gerade nicht so wohl fühlt und nicht viel Aufwand mit ihren Haaren haben möchte, rate ich zu dieser unkomplizierten Lösung. Zumal, da die Lieferzeiten für Kunsthaarperücken kürzer sind als für Echthaar. Allerdings eignet sich Kunsthaar nur für Kurzhaarschnitte oder Bobs. Kundinnen, die eine Langhaarfrisur tragen möchten, sollten eine Echthaarperücke wählen, denn diese zeigt fast keine Materialermüdung durch Reibung, also z.B., wenn das Haar auf der Schulter aufsitzt. Neben Kunst- und Echthaar- gibt es übrigens auch noch Mischhaarperücken, die viele Vorteile beider Modelle vereinen.

Was kostet eine Perücke?

Für eine Kunsthaarperücke fallen je nach Modell circa zwischen 360 und 800 Euro an, für eine Echthaarperücke 1.000 bis 3.000 Euro. Spezielle Maßanfertigungen sind teurer. Krebspatienten bekommen in der Regel Zuschüsse von der Krankenkasse.

Wie lange hält eine Perücke im Schnitt?

Kunsthaar circa ein halbes Jahr, Echthaar ein bis zwei Jahre. Je besser die Perücke gepflegt wird, desto länger hält sie.

Worauf kommt es bei der Pflege an?

Die Perücke sollte nicht öfter als einmal pro Woche gewaschen werden. Für die Wäsche dürfen nur spezielle Zweithaarpflegemittel verwendet werden. Nachts sollte man die Perücke abnehmen, um sie zu schonen. Ein Hinweis zum Kunsthaar: Die Perücken sind hitzeempfindlich, sollten also z.B. in der Sauna oder beim Kochen abgenommen werden.

Wie laufen die Anprobe und der Kauf ab?

Ich mache in der Regel drei Termine - in meinem Salon oder wenn nötig auch mal im Krankenhaus. Beim ersten Termin findet ein Beratungsgespräch statt: Wir klären den Verlauf des Haarausfalls und sprechen über die unterschiedlichen Perückenmodelle und Frisurenstile. Ich bestelle dann einige Modelle zur Auswahl, die beim zweiten Termin anprobiert werden können.  Außerdem schneide ich die eigenen Haare der Kundin zum Kurzhaarschnitt. Je nach Kundenwunsch wird die Perücke noch frisiert und angepasst. Bei einem dritten Termin prüfen wir, ob alles gut sitzt.

Muss das echte Haar zwangsweise abgeschnitten werden?

Nein. Aber bei Chemo-Patienten fallen die Haare nach und nach büschelweise aus, was für die Patientinnen oft ein sehr unschönes Erlebnis ist. Ich rate aus psychologischen Gründen daher, schon vor Beginn der Chemo die eigenen Haare abzuschneiden. Da nicht immer alle Haare ausfallen, lasse ich aber ein paar Zentimeter stehen.

Kann ich meine Perücke genau wie meine echten Haare frisieren?

Echthaarperücken können genau wie das eigene Haar gestylt und frisiert werden. Bei Kunsthaarperücken funktioniert das nur sehr bedingt und nur beim Zweithaarspezialist.

Muss ich mir Sorgen machen, dass die Perücke aus Versehen verrutscht oder herunterfällt?

Wenn sorgfältig vermessen und die passende Perückengröße gewählt wurde: Nein. Jede Perücke hat ein Klettband im Nacken, so kann man für einen noch besseren Sitz individuell nachjustieren. Eine gutsitzende Perücke kann sogar beim Sport getragen werden – nur beim Schwimmen oder bei besonders bewegungsintensiven Sportarten rate ich zur alternativen Kopfbedeckung.

Worauf müssen Perückenträgerinnen, insbesondere Krebspatientinnen, bei der Kopfhaut-Pflege achten?

Die Kopfhaut ist während der Chemotherapie besonders empfindlich. Der Säureschutzmantel ist angegriffen und sollte nicht weiter gereizt werden. Ich empfehle, nur ganz weiche Bürsten zu verwenden und den Kopf nur mit sehr milden Pflegeprodukten zu waschen. Vorsicht auch mit ölhaltiger Kopfhautpflege: Diese kann Rückstände in der Perücke hinterlassen. Außerdem ist die Kopfhaut während der Chemo stärker kälteempfindlich. Viele tragen deswegen unter der Perücke eine Unterziehmütze. Auch nachts, wenn man die Perücke abnimmt, macht eine wärmende Kopfbedeckung Sinn.

Wie können ausgefallene Wimpern und Augenbrauen kaschiert werden?

Hier gibt es eine große Auswahl an Produkten, von Augenbrauenpuder bis zu mehrfach verwendbaren Echthaarbrauen und -wimpern.

Welche Kosmetiktipps haben Sie noch für Krebspatientinnen?

Sie sollten hochverträgliche Kosmetika für ihre empfindliche Haut verwenden. Es gibt spezielle Produkte für Chemo-Patientinnen. Ich berate meine Kundinnen dazu gerne und gebe auch Tipps, wie man mit einem kleinen Tages- Make-Up eine fahle oder blasse Gesichtsfarbe kaschiert.

Können eigentlich auch Männer, die aufgrund einer Chemo an Haarausfall leiden, in Ihren Salon kommen?

Jederzeit gerne. Ich habe einige männliche Kunden und für diese gibt es eine ebenso große Perückenauswahl wie für Frauen.

Haarauswahl während der Chemotherapie

Bei einer Chemotherapie werden sogenannte Zytostatika eingesetzt. Das sind Medikamente, die besonders auf Zellen wirken, die sich schnell teilen. Dazu zählen Tumorzellen, doch unter anderem auch Haarwurzelzellen. So kann es leider während der Therapie zum Verlust der Haare, Augenbrauen und Wimpern kommen. Ob und wie stark der Haarausfall ist, hängt von der Art des eingesetzten Medikaments, der Dosierung und der Veranlagung der Patienten ab. Meist wächst das Haar nach Therapieende nach.

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Ansprechpartner

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Ärztlicher Direktor, Chefarzt

Dr. med.  Stefan  Hiller

Fon 0711 7703 4754

Weitere Informationen zum Thema Krebs finden Sie auf den Seiten des Zentrums für Integrative Onkologie und der Abteilung Frauenheilkunde
 

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